Seit September gibt es in Landshut eine Freimaurerloge. Der Meister vom Stuhl Christian Wölfl blickt auf deren Gründung zurück und erläutert, was es mit der Loge auf sich hat.

Interview mit Christian Wölfl

Der 25. September 2021 war ein besonderer Tag für die Stadt Landshut, den ver- mutlich nur wenige Einwohner als solchen wahrgenommen haben. An diesem Tag wurde in der Stadt nach über 50 Jahren wieder eine Frei- maurerloge gegründet. Sie trägt den Namen „Zu den drei Helmen an der Isar“. Geleitet wird sie von Christi- an Wölfl. Er ist der Meister vom Stuhl, das heißt er führt die Zusam- menkünfte der Mitglieder, die sich untereinander als Brüder anspre- chen und vertritt den Verein als des- sen Vorsitzender nach außen.

Herr Wölfl, warum gründet man eine Freimaurerloge in Landshut? Christian Wölfl: Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Die Einfachste: Es gab keine. Auch im Großraum um Landshut gibt es keine Loge, sodass die Brüder nach München, Ingolstadt, Regensburg, Passau, Traunstein, oder Rosenheim fahren müssen. Dieser weiße Fleck auf der freimaurerischen Landkarte
sollte mit Leben gefüllt werden.

Wie läuft eine Gründung ab?
Wölfl: Mit viel Ausdauer, Geduld und Zuversicht. Das unter- schiedet uns vermutlich nicht von anderen Vereinen. Ja, wir sind ein eingetragener Verein im Vereinsre- gister von Landshut unter der Num- mer 201057, wo auch unsere Sat- zung hinterlegt ist. Dennoch wird eine Freimaurerloge nicht einfach gegründet. Es müssen mindestens acht Freimaurermeister eine Gründungsversammlung abhalten. Da- rüber hinaus muss die Großloge, also unser Verband, der Gründung zustimmen. In unserem Falle die Großloge der Allgemeinen, Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, kurz AFAM. Die Ver- einigten Großlogen von Deutsch- land als Dachverband aller deutschen Freimaurer vergeben dann die Matrikelnummer und das Patent. Feierlich wird dies bei der Lichteinbringung durchgeführt.

Das klingt nach einem zeitaufwendigen Prozess.
Wölfl: Ja, die größte Hürde ist die Zeit. Nicht die Allgemeine, son- dern die Individuelle. Man muss Zeit mitbringen, um sich zu treffen. Man muss Geduld haben, wenn es mehr als eine Meinung zu einem Aspekt gibt, wie die zukünftige Ge- meinschaft äußerlich oder innerlich gestaltet werden soll. Wie hoch soll der Mitgliedsbeitrag sein? Wie oft darf man in einem Amt wiederge- wählt werden? Viele Erfahrungen treffen aufeinander und wollen gebündelt werden. Das ist eine hoch- integrative Aufgabe.

Wie viele Mitglieder müssen sie denn auf diese Weise zusammenbringen?
Wir haben 2020 bei der Gründung mit 14 Mitgliedern begonnen. Seit Oktober 2021 sind wir nun 16. Das Mitglied mit der weitesten Anfahrt wohnt in Paderborn, das sind rund 600 Kilometer. Viele kommen aus dem Münchener Raum und aus Pas- sau. Aus Landshut selbst stammen die wenigsten.

Gibt es bereits Interessenten?
Wölfl: Ja, erfreulich viele. Wir hatten auch schon unsere erste Auf- nahme. Und aufgenommen wird man in der Regel erst dann, wenn man etwa ein Jahr regelmäßig bei Gästeabenden dabei war. Natürlich gibt es noch andere Kriterien. Wir laden aktuell rund 20 Interessierte zu unseren Gästeabenden ein. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass diese dann auch Aufnahmeanträge stellen.

Fehlt für die Loge noch etwas?
Wölfl: Helfender Hände sind es nie genug – das Leben einer Loge wird bestimmt durch die Brüder, aber auch ein Logenhaus braucht es. An Letzterem fehlt es uns noch. Für Treffen, die keinen geschützten Raum benötigen, haben wir das Hotel Rosenhof in Ergolding gefunden. Dort können wir uns zu geselligen Vereinsaktivitäten und zu unseren

Gästeabenden treffen. Wegen Corona zurzeit selbstverständlich nur online. Für unsere freimaurerischen Arbeiten benötigen wir aber einen größeren, abgeschlossenen Raum, in dem wir unter uns sein können und eine kleine Kammer. Das suchen wir gerade noch.

Wie wird man Freimaurer? An wen wendet man sich?
W ö l f l : Früher waren es eher Empfehlungen. Man kannte je- mand, der jemanden kennt. Manchmal hat es sich in einem Gespräch ergeben, dass das Thema Freimaurerei angesprochen wurde. Ein Frei- maurer hat dann Kontakt zur nächstgelegenen Loge hergestellt. Das geht auch heute noch so, aber es sind hauptsächlich Kontakte über das Internet. Dabei wenden sich viele an die Großloge, die dann die Anfragen an die nächstgelegene Loge weiterleitet. Ein direkter Kontakt ist auch über unsere eigene Homepage möglich.

Dabei dürfen nur Männer Frei- maurer werden.
W ö l f l : Diese Aussage stimmt nur für unsere Loge beziehungsweise für diejenigen, die in der Traditi- on der englischen Großloge arbeiten. Daneben gibt es gemischte und rein weibliche Logen, zum Beispiel in München. Jeder Mensch, der Freimaurer werden will, kann eine passende Loge finden.

Was heißt es, Freimaurer zu sein?
Wölfl: Das Ziel der Freimaurer ist eine sittliche Lebenshaltung und die unermüdliche Arbeit, dieses Ziel zu erreichen. Das müssen wir aber nicht alleine machen. Dafür haben wir die Loge und die Brüder. Im regen Gedankenaustausch bilden wir unseren Geist weiter, tauschen uns untereinander aus und versuchen gegensätzliche Meinung zu akzeptieren. Wir üben im Kreise der Brüder, um in der Welt bestehen zu können. Nach über 20 Jahren Freimaurerei finde ich immer wieder neue Bedeutungen für mich.

Die Freimaurer gelten als ver- schwiegene Gemeinschaft. Was hat es damit auf sich?
Wölfl: Wir erzählen nicht weiter, was uns ein Bruder anvertraut. Da- mit schützen wir uns und unsere Meinungsäußerungen. Vertrautheit entsteht eben nur in einem geschützten Bereich wie zum Beispiel der Familie. Oder eben der Loge. Daneben gibt es kein Geheimnis an sich, sondern nur etwas, das man nicht erzählen, das man nicht be- schreiben, das man nur erleben kann. Das ist genau wie das über- wältigende Gefühl bei einem Lied, einem Theaterstück oder einem privaten Erlebnis. Es entzieht sich der Beschreibung.


Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft der Loge?
Wölfl: Ich wünsche mir, dass in zehn Jahren jede Landshuterin und jeder Landshuter weiß, dass es in Landshut eine Freimaurerloge gibt. Und wenn sie dann noch wissen, dass von der Freimaurerei keine Ge- fahr ausgeht, sondern Menschenliebe, Toleranz und Brüderlichkeit, dann sind wir integriert.

Diffuse Angst

Um die Freimaurerei ranken sich viele Legenden und auch Verschwörungstheorien. Der Historiker Prof. Claus Oberhauser, der an der Pädagogischen Hochschule Tirol und an der Universität Innsbruck lehrt, hat sich intensiv mit Verschwörungstheorien beschäftigt, so auch mit Bezügen zur Freimaurerei. „Es ist erstaunlich, dass sich seit dem 18. Jahrhundert Vorstellungen gehal- ten haben, wonach die Freimaurer als Elite im Hintergrund die Fä- den ziehen und revolutionäre Umstürze planen.“ Ein Grund sieht Oberhauser in der Verschwiegenheit der Freimaurer, was eine ideale Angriffsfläche für Verschwörungsideologen biete. Doch selbst, wenn Freimaurer al- les öffentlich machen würden, bezweifelt er, dass es damit ein Ende der Verschwörungstheorien ha- ben werde. „Der Mythos um die Freimaurer ist so stark, weil er so alt ist“, betont Oberhauser.

Während der Corona-Pandemie seien Verschwörungstheorien rund um die Freimaurerei ent- gegen den Erwartungen eher in den Hintergrund gerückt, sagt er. Vielmehr seien es weltweit bekannte Menschen wie Bill Gates, denen eine Beteiligung an der Pandemie unterstellt werde. Gemeinsam sei dabei jedoch die „diffuse Angst vor Eliten im Hintergrund“.

Freimaurerische Tradition in Landshut

Bei der Gründungsfeier sagte Christian Wölfl, „wir haben das freimaurerische Licht in Landshut wieder entzündet“. Dabei bezieht er sich auf die vergangenen, aber nicht mehr aktiven Freimaurerlogen in der Stadt, an deren Tradition angeknüpft werden soll. Zuerst gab es 1778 die Loge „Zum flammenden Stern“. Diese wurde aber bereits im Folgejahr nach Berlin verlegt, wo sie auch heute noch existiert. Danach gab es lange keine Freimaurer mehr in Landshut, bis amerikanische Soldaten in den 1960er-Jahren die Loge „Zu den Drei Helmen“ er- öffneten. Gründungen wie diese hat es nach dem Zweiten Weltkrieg vielerorts in Westdeutschland gegeben: Mit den alliierten Soldaten, Offizieren und Verwaltungsangestellten kamen auch unzählige Freimaurer nach Deutschland, die sich auch weiterhin gemeinsam in Logen treffen wollten. In Landshut währte diese Loge allerdings nur wenige Jahre, bis die Arbeiten wieder eingestellt wurden. Nun gibt es nach über 50 Jahren wieder Freimaurer in der Stadt an der Isar.

Jede Freimaurerloge hat ein eigenes Logenabzeichen, das sogenannte „Bijou“. Das tragen die Freimaurer etwa bei offiziellen Anlässen an einem blauen Band um den Hals. Was auf dem Bijou der Landshuter Loge abgebildet ist und welche Be- deutung die Symbole haben, erklärt der Landshuter Logenvorsitzende Christian Wölfl: „Auf dem Bijou sind die drei Helme aus dem Wap- pen der Stadt Landshut zu sehen. Sie symbolisieren unsere Verbundenheit zu Stadt, Land und Staat. Die Lebensader der Stadt, die Isar, wird durch die unregelmäßige Linie dargestellt. Die übrigen Symbole sind dem Handwerk entlehnt und deuten auf die Freimaurerei hin: Der Zirkel, klassisches Planungswerkzeug, bildet mit den zwei Drecken zusammen ein größeres Dreieck. Der Zahl Drei und deren Vielfachen begegnet man in der Freimaurerei häufiger. Dieses Drei- eck ergibt zusammen mit der Anordnung der Wappen-Helme ein Hexagramm, einen Sechsstern. So möchten wir unseren Integrationswunsch in das Leben der Stadt Landshut symbolisch zum Ausdruck bringen.“

Logen in Deutschland

In Ostbayern gibt es aktuell fünf Freimaurerlogen, zwei in Regensburg, zwei in Passau und nun auch eine in Landshut.

Knapp über 60 Logen gibt es insgesamt im Freistaat. Eine be-sondere Dichte findet sich in den Großräumen München und Nürnberg-Erlangen.

Deutschlandweit gibt es knapp über 500 Logen mit rund 16.700 Mitgliedern, wie die Vereinigte Großlogen von Deutschland, der Dachverband aller deutschen Freimaurer, auf ihrer Internetseite angibt.

Quelle: Hans Reimann in https://www.idowa.de/inhalt.interview-landshuter-freimaurerloge-nicht-zu-beschreiben-nur-zu-erleben.f288a65d-5fb7-490f-b957-446883272956.html

Nicht zu beschreiben, nur zu erleben

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