Vossberg – Sein Titel klingt ungewöhnlich: Thorsten Wunde ist seit wenigen Wochen „Meister vom Stuhl“. Der Vossberger leitet in dieser Funktion die noch junge Freimaurerloge „Zur Morgenröte in der Geest in Wildeshausen“.
Häufig umranken Verschwörungstheorien um geheime Rituale oder Weltherrschaftspläne die Freimaurerei. Im Gespräch mit unserer Zeitung klärt Wunde auf. „Wir sind weder ein Geheimbund noch eine Sekte“, versichert er. „Die Logen wollen vielmehr Menschen miteinander über weltanschauliche, politische, nationale und soziale Grenzen hinweg verbinden, die sich sonst nie begegnet wären“, sagt der Stuhlmeister. „Dabei interessiert es nicht, was jemand macht oder woher er kommt. Bei uns sind die verschiedensten Menschen, vom Handwerker bis zum Akademiker. Was zählt, ist die Grundhaltung. Wir vertreten ganz konsequent den Humanismus. Zudem ist Toleranz bei uns ein Grundprinzip.“ Die Freimaurer würden damit ihren Traditionen folgen, Trennendes zu überwinden, Gegensätze abzubauen, Verständigung, Verständnis und Freundschaft zu fördern.
Rituale sind öffentlich einsehbar
Innerhalb der Loge gebe es feste Regeln. „Wir lassen den anderen immer ausreden. Wir werden nicht laut und wir reden nicht hinter dem Rücken anderer Menschen“, verdeutlicht Wunde. Geheimnisse über das, was hinter den geschlossenen Türen passiert, gebe es nicht, sagt der Stuhlmeister. „Jeder, der bei unseren Treffen etwas sagt, weiß aber, dass es dort bleibt. Die Loge ist ein geschützter Raum zum freien Meinungsaustausch“, erklärt er. Die Rituale der Freimaurer seien dagegen mittlerweile überall öffentlich einsehbar. „Man kann sie zwar lesen aber nicht erleben. Das Geheimnis ist nicht das Ritual, sonders das Erleben desselben“, erläutert Wunde. „Durch die Rituale komme ich aus dem Alltagstrott heraus. Ich kann entspannen und zu mir kommen.“ Das geschehe in verschiedenen Abschnitten mithilfe von Symbolen und sich wiederholenden Texten. „Sie geben mir Gelegenheit zum Sammeln neuer Kräfte. Das ist eine Art Entschleunigung“, sagt der Stuhlmeister.
Trennung zwischen Männer- und Frauen-Logen
Logen würden sich weder an politischen noch an religiösen Auseinandersetzungen beteiligen. Wunde: „Wir bekennen uns zur Demokratie und enthalten uns jeglicher Jenseitsorientierung. Bei uns sind Menschen jeder Religion willkommen.“ Frauen allerdings nicht. „Das ist kein Widerspruch“, betont Wunde. Es gebe ebenfalls offizielle und anerkannte Frauenlogen, nur keine gemischten. Die Trennung zwischen Männern und Frauen festige die Homogenität und die Identität der Gruppe. Er finde nichts Negatives daran, wenn Frauen und Männer in bestimmten Bereichen unter sich blieben.
Gästeabende in der „Gildestube“
Einmal im Monat laden die Wildeshauser Logenbrüder zu Gästeabenden in die „Gildestube“ ein. Wer Interesse an der Freimaurerei hat, ist dort willkommen. Bis zur Aufnahme ist es allerdings ein weiter Weg. „Die Mitgliedschaft in der Loge ist eine Verbindung fürs Leben. Deshalb müssen wir potenzielle neue Mitglieder kennenlernen – und sie uns auch“, so Wunde. Dazu dient die Gästezeit. Nach einer gewissen Zeit kann ein Gast ein Mitglied fragen, ob es bereit ist, eine Bürgschaft zu übernehmen. Erst danach kann er einen Aufnahmeantrag stellen, über den die Logen-Brüder abstimmen. „Austritte sind aufgrund dieses Verfahrens bei uns sehr selten“, erklärt der Stuhlmeister.
Besonderen Umgang in der Loge sofort gespürt
Er selbst war 40 Jahre alt, als er sich für diesen Schritt entschied. „Die Hälfte meines Lebens ist vorbei. Was soll jetzt noch kommen?“, fragte sich Wunde damals. Da er sich schon immer für die Freimaurer interessiert hatte, nahm er an einem Gästeabend der Bremer Loge „Hansa“ teil. „Ich habe den besonderen Umgang dort sofort gespürt“, berichtet er.
Einige Jahre später entstand die Idee, in Wildeshausen eine neue Loge zu gründen. „Wir haben auf die Karte geschaut und festgestellt, dass hier noch ein weißer Fleck ist“, erzählt Logen-Bruder Walter Werner. Der ebenfalls in Vossberg lebende Mediziner im Ruhestand war der erste „Meister vom Stuhl“ der Wildeshauser Freimaurer und damit der direkte Vorgänger von Wunde. Gemeinsam mit einigen Bremer Logen-Mitgliedern begannen die beiden 2016 mit der Planung. Zwei Jahre später folgte die „Lichteinbringung“. Mit diesem offiziellen und feierlichen Akt war die Freimaurerloge „Zur Morgenröte in der Geest in Wildeshausen“ arbeitsfähig. Inzwischen hat sie ihre Mitgliederzahl von 16 auf 32 verdoppelt. „Das ist vor allem vor dem Hintergrund der Pandemie in dieser kurzen Zeit gewaltig“, freut sich Wunde.
Quelle: Leif Rulhusen in der Kreiszeitung.de vom 09.08.2022 https://www.kreiszeitung.de/lokales/oldenburg/doetlingen-ort49924/meister-vom-stuhl-thorsten-wunde-gibt-einblicke-in-die-wildeshauser-freimaurerloge-91715636.html